Thorsten Klages: Medium und Form - Musik in den (Re-)Produktionsmedien
Produkt des Monats Mai 2003
Die Rede von medialen Veränderungen unserer Umwelt und Lebensweisen ist inzwischen so allgegenwärtig geworden, daß manchmal in Vergessenheit gerät, welche weiten Felder kultureller Produktion gerade in dieser Hinsicht noch weiße Flecken auf der Landkarte des Wissens sind: Immer noch liegen kaum umfassende und theoretisch fruchtbare Ansätze zur Medialisierung und Mediatisierung der Musik im 20. Jahrhundert vor. Das mag an der notwendigen Vieläugigkeit einer solchen Unternehmung liegen: Dazu bedürfte es immerhin einer profunden Kenntnis von Medientheorie, der historischen Perspektiven auf mediale und musikalische Phänomene, der technisch-apparativen Dimension sowie der angemessenen theoretischen Werkzeuge. Thorsten Klages verfolgt in Medium und Form einen interdisziplinär zwischen Kunst und Wissenschaft angelegten Ansatz, der in kompakter Form den neuralgischen Punkt eines solchen längst überfälligen Großprojektes anvisiert. Der zeitliche Rahmen reicht von Thomas A. Edison über Moholy-Nagy und John Cage, DJ Kool Herc und Grandmaster Flash bis zu Portishead oder auch der „Fehlerästhetik“ (man denke an Oval oder die „Clicks + Cuts“-Phänomene). Entlang der differenztheoretischen Unterscheidung von Medium und Form beschreibt Klages, wie sich – entgegen der simplen Annahme chronologischer Medienepochen – die Formen analoger Medien (Schallplatte, Tonband) in den digitalen Medien repositionieren (bis zur Simulation analoger Soundcharakteristika mit dem Analogizer-Plug-In „Magneto“). Außerdem trägt Klages im Anschluß an McLuhan oder auch die Filmtheorie Yvonne Spielmanns der Materialität der Medien Rechnung und deren formprägenden und autoproduktiven Potentialen, etwa den vielfältigen Techniken der Zeitachsenmanipulation (Phasing, Pitching, Echtzeitmontage, ...). Im Unterschied zu Benjamins Abtrennung des Aura-Begriffs von der Reproduktion, wird hier die für künstlerische Produktion des 20. Jahrhunderts so wichtige transformative Distanz zum Original schon in der Wortschöpfung des Untertitels Musik in den (Re-)Produktionsmedien verdeutlicht, der ein neues Medienverständnis mit einem neuen Zugriff auf Musik koppelt. Die praktische Anschlußfähigkeit von Klages´ konzeptuellen Ansatz für die Generation nach Toop, Poschardt, Klein und Eshun wird einem vielleicht erst völlig klar, wenn man plötzlich anfängt, Musiktexte und CDs nach Parametern der Medienmusik zu ordnen – oder vielleicht erstmals bemerkt, daß man es schon getan hat.
Das Buch ist online beim Book-on-demand-Verlag epOs Musik zu beziehen: http://www.epos.uni-osnabrueck.de
Diese Rezension erscheint mit freundlicher Genehmigung der Testcard:: www.testcard.de