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Waves OneKnob Series, oder: RIP RTFM!

Produkt des Monats März 2012

von Arne Bense

Bevor die digitalen Medien im Realen verschwinden (Bernhard Siegert), müssen schnell noch ein paar Details festgehalten werden. Die momentane digitale Prä-Renaissance (Michael Harenberg) ist dabei möglicherweise wider erwarten ein ganz guter Standpunkt, die Perspektive durch McLuhans Rückspiegel mit ihrem Simulations-Paradigma auf der einen sowie technikkulturelle Transformationsprozesse der #nextsociety auf der anderen Seite zu überblicken.

Im Januar 2012 hat der Softwarehersteller Waves ein paar seiner Software-Bundles zu ziemlich niedrigen Preisen angeboten. Ich konnte nicht widerstehen und habe zunächst das “Gold-Bundle” gekauft, eine Sammlung teils legendärer, auratischer Software-Effekte: EQs, Kompressoren, Limiter, Reverbs und Vintage-Plugins, um dem digitalen Medium mit digitalen Effekten den digitalen Teufel auszutreiben. Diese Sammlung verspricht, so ziemlich alles, was im Tonstudio an alltäglichen Aufgaben anfällt, meistern zu können.

Weit weniger bekannt im Waves-Sortiment ist das OneKnob Bundle, auf das ich im Verlauf der Promo-Aktion auch gestoßen bin und das ich – sofort begeistert – ebenfalls erstanden habe. Es handelt sich um eine Serie von 7 Plugins mit jeweils nur einem einzigen Regler, wie abgebildet zum Beispiel der High-Shelving-EQ “Brighter”, dessen feste Eckfrequenz ab den hohen Mitten greift und der nur eine Anhebung dieses Frequenzbereichs erlaubt. Alle gängigen Werkzeuge des Tonstudiobetriebs haben einen dedizierten Effekt im OneKnob Bundle – ein Filter mit einem Regler für die Eckfrequenz (und einem Button zum umschalten der Resonance), einen Verzerrer mit einem Regler für Verzerrung, einen Hall mit einem Regler für die Hallzeiten, etc. Es gibt also eine ganze Reihe von Parametern, wie man sie bei Effekten beispielsweise des Gold-Bundles finden würde, auf die man hier keinen Zugriff hat.

Die OneKnob Series ist aber nicht nur für Sound Engineers, die “tweak fatigue” sind, wie Waves es andeutet. Hier wird zu tief gestapelt. Arbeiten mit dem OneKnob Bundle ist vielmehr Kollaboration mit der Maschine, das bewusste Aufgeben von Kontrollphantasien, denen man in der Musiktechnologie noch in vielfacher Weise begegnen kann, etwa auf dem Markt der Hardware-Controller für Digital Audio Workstations, wo total control regelmäßig beschworen und nie erreicht wird. Total control ist jedoch kein Ziel, total control ist kein Weg, total control ist eine Verkaufsstrategie, total control ist eine – nach Tom Jenkinson (aka Squarepusher, siehe Tom Jenkinson - Collaborating with machines, auch PdM Feb. 2012) sehr westliche – Art des Umgangs mit Maschinen, die den Menschen als Souverän setzt und seine Werkzeuge indifferent und austauschbar machen will.

Diese Phantasmen aufzugeben, wäre ein erster Schritt auf dem Weg zu einer digitalen Klangästhetik und der Abschied von der Wiederholung alter Paradigmen, zu denen wir - aus dem virtuellen Studio heraus - ohnehin nur ein touristisches Verhältnis haben können. Etwas fällt außerdem auf: In der Oneknob Series gibt es eigentlich keinen Hall, sondern einen “Wetter”, nicht einen Kompressor, sondern “Pressure”, nicht einen high-shelving-eq, sondern einen “Brighter” (mit der ursprünglichen Idee eines “Equalizers”, mit Entzerrung, hat das nichts mehr zu tun). Dies ist Arbeit am Klang, nicht an den Frequenzen, nicht am Pegel, nicht an Nullen und Einsen: phänomenologische Klangbearbeitung.

 

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pdm/pdm-1203 - Illustration
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