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Querschläger. (Ein modifizierter Playstation Controller von Andreas Otto und Björn Engelberg)

Produkt des Monats Januar 2008

Text und Interview: Tobias Ruderer

Hoffentlich ist der Leser geneigt, zunächst einer kurzen Erlebnisbeschreibung zu folgen. Es folgt darauf ein Interview mit Andreas Otto, einem der beiden künstlerischen Entwickler des Interfaces "Querschläger". Bei einer ersten Privatvorführung wurde die Einschätzung unseres Produktes des Monats noch teilweise überlagert von der allgemeinen imposanten technischen Potenz des neuen Uni-Studios in Gebäude 11, der Endlichkeit einer Mittagspause auf dem Campus und einer gewissen Unruhe, die auftritt, wenn der Computer anders macht als er soll. (Man erzählte mir, dass er dies bei der Premiere des "Querschlägers" im Karlsruher ZKM beim »next_generation Festival« schon einmal machte, und zwar in dem Moment, als die Zuschauer schon auf die ersten Klänge warteten.)
Ihren ganzen Charme und Witz enthüllte die Konstruktion dann aber an einem geselligen Abend im alten Bahnwärterhäuschen, nachdem uns der Entwickler fragte, ob wir „noch einen Blick auf den modifizierten Playstation-Controller werfen“ wollten. Bereit ins anliegende Musikzimmer zu gehen, wies jemand scherzhaft auf die eigene gemütliche Schwere hin mit der Frage, ob das nicht auch drahtlos möglich sei. War es: WIr hatten alsbald einen handelsüblichen Game Controller auf dem Tisch, während von drüben noch Brian Enos »music for airports« klang. Der Ambient-Musik machten wir nun Beine, denn in unseren Händen hielten wir einen Rhythmus, seine Klänge, die Kanalverteilung, Möglichkeiten zur Manipulation und solche zur Manipulation der Manipulation.
Das Material, in dem die Eingriffe dabei erfolgen, ist bereits musikalische Zeit, aber rohe musikalische Zeit. (Eno war es nicht, wohlgemerkt, der lief nur nebenher und hätte die Verwandlungen zu Electronica, Drum&Bass, Techno sicherlich gut gefunden.) Die fundamentale Funktion, und trotzdem bei weitem die geringste Fähigkeit des Systems ist es, eine Spur oder allgemeiner, etwas bereits Gespieltes oder Aufgenommenes (im beschriebenen Fall größtenteils sequenzierte Perkussionsklänge) zu aktivieren. Schnell merkten wir, dass es am besten ist, sie sogleich wieder zu deaktivieren, vorher aber noch ordentlich durch den Wolf zu drehen, der in diesem Gerät steckt, was bedeutet, durch die Modulierung von Midisignalen alle möglichen bzw. vordefinierten Parameter eines Klanges live zu verformen.
Wir triggerten, pitchten, dehnten, schnitten, verteilten, verzerrten also munter vor uns hin und auch wenn der musikalisch gewillte Geist dabei schnell zu Spaß und Ergebnissen kommt, man auch zumindest subjektiv eine gewisse Fertigkeit zu entwickeln glaubte, bevor ein anderer einem den Querschläger wieder aus der Hand riss, so keimte doch der Gedanke, dass es mit Übung noch viel besser ginge, und wir es hier mit einem richtigen Instrument zu tun hatten.



Gibt es einen Namen für eure Entwicklung?
Andreas Otto: Noch nicht wirklich; im Moment nennen wir es wie die Auftragskomposition, für die wir es entwickelt haben: das live improvisierte Stück hieß "Querschläger", weil wir über die 47 Boxen im Kubus des ZKM spielen durften und die Raumposition den einzelnen Sounds mit dem rechten Stick des Controllers zuordnen konnten - dadurch konnten wir die perkussiven, agressiven Sounds von Björn mit beachtlicher Auflösung durch den Raum schicken, als würden sie hin und her prallen.

Kannst du etwas präziser erklären, was da passiert, wie es funktioniert?
A.O.: Die Software »Junxion«, die am Steim-Institut in Amsterdam entwickelt wurde, ermöglicht ein einfaches Übersetzen von allen eingehenden Daten/Signalen der angeschlossenen USB-Geräte in Mididaten, also musikalische Anweisungen. Diese Kopplung von Daten an musikalische Aktionen nennt man Mapping, das geht mit dieser Software relativ einfach.

Und woher kommt das klangliche Rohmaterial?
A.O.: Der Sound selbst kommt bei Björn aus dem NI Kontakt und bei mir aus dem Simpler (einem Softwaresampler) in Ableton Live. Meist mache ich die Perkussion und Björn spielt die Bässe und einige Midrangesounds, Akzente.

Aber diese Klangquellen müssen dann noch sequenziert sein, wenn ich das richtig verstanden habe?
A.O.: Genau, momentan kommen die Events, also das wiederholte Aufrufen der jeweiligen Sounds, alle aus einem Master- Midiarrangement. Mit den Sounds selbst spielen wir dann rum, wenn wir sie hörbar gemacht haben.
Wir haben die folgenden Belegungen gewählt (für alle, die einen Standard Playstation-Controller vor Augen oder Händen haben):
Die vier Fronttasten (L1, L2; R1, R2) dienen zur Auswahl der vier Sounds, die jeder spielt. Sind sie gedrückt, kann man:
• die Sounds mit dem x-Button Kreuz an/ausschalten
• mit dem linken Stick Parameter der Wiedergabe (Startposition in der Audiodatei eines Klanges, Länge des Loops) oder Effekte (etwa Delay) ändern und
• mit dem rechten Stick die Raumposition der Lautsprecherwiedergabe spielen.
Das ist in der Summe aller Kombinationsmöglichkeiten eine Riesenmenge an musikalischen Daten, die man in den Fingern hält.

Warum habt ihr euch für den Playstation-Controller als »Bedienwerkzeug« entschieden
A.O.: Wir wollten etwas verwenden, bei dem wir nicht erst die Bedienung lernen müssen, sondern direkt aus der Handlung heraus überlegen können, wie unsere kleinen Gesten in Musik übertragen werden können und wie man die paar Knöpfe und Sensoren effektiv musikalisch belegen kann.

In welcher Hinsicht musstet ihr Kompromisse eingehen, Abstriche machen?
A.O.: In der Mitte treffen mussten wir uns eher in der Sphäre des Ästhetischen, d.h. konkret, das wir die Genres Drum'n'Bass und Electronica zu einer Einheit zusammenführen. Das hat super geklappt, ein Geklicker und Gerassel bei 180bpm, wie ich es noch nie gehört hatte vorher.
Ansonsten haben wir versucht, soweit wie möglich an die Grenze zu gehen, was die Anzahl der Tastenbelegungen und die Prozessoren-Power der Rechner/Klangerzeuger angeht.

Wie waren die Reaktionen beim next_generation Festival?
A.O.: Zwischen den vielen Playback-Konzerten aus eher akademischen Kontexten fiel unsere Performance sowohl ästhetisch als auch aufführungstechnisch auf: Wir saßen auf Stühlen, die Rechner unsichtbar unter der Bühne, nur die Controller in der Hand und viel nonverbale Kommunikation über das Gehörte. Daher haben wir zwar einerseits Begeisterung erfahren, viel Applaus von Leuten, die sich über die metrische Struktur der experimentellen Sounds freuten, aber andererseits auch Unverständnis darüber, warum diese ‚Techno-Jungs‘ eingeladen worden sind. Auf jeden Fall war es nicht egal, dass wir in Karlsruhe waren, das ist die Hauptsache.

Welches Möglichkeiten siehst du, den »Querschläger« auf der Bühne einzusetzen ?
A.O.: Toll wäre es, das vorgefertigte Midi-Arrangement durch einen weiteren Musiker zu ersetzen, der die Midievents live spielt, z.B. über ein E-Drum-Set oder eine experimentelle Variation davon. So ist es zur Zeit eigentlich nur eine sehr außergewöhnliche Form von Playback-Konzert.
Ich selbst hatte bei früheren Springintgut Konzerten Kontaktmikros in Büchern versteckt, so dass man Impulse erhält, wenn man auf die Bücher schlägt, die wiederum von einem speziellen Interface anschlagsdynamisch in MIDI-Daten gewandelt werden können. Wenn die resultierenden Daten unsere Synthesizer und Sampler ansteuern würden, könnten wir diese dann wieder mit einem Gerät wie dem hier beschriebenen „bespielen“. Eine spaßige Band wäre das!

Querschläger Livemitschnitt aus dem ZKM Karlsruhe [MP3, 3.87 MB]

Info zur Software junXion

Elektronika von Andreas Otto

Drum'n'Bass von Björn Engelberg

 

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pdm/pdm-0801 - Illustration
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