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Sonic Fiction

Produkt des Monats Oktober 2006

von André Pluskwa

„Schreib' einen Text, wir sind Produkt des Monats!“ morste mir eines Morgens das Hauptquartier zu, eine Gratwanderung zwischen Selbstbeweihräucherung und falscher Bescheidenheit steht also bevor, die Crux einer jeden Dankesrede.

Natürlich fühlten wir uns geschmeichelt, als die Nachricht ins Haus flatterte, dass die Sonic Fiction zum Produkt des Monats durch die Ästhetischen Strategien gekürt wurde, zumal der Titel „Produkt“ an diesem Ort wohlweislich allerlei Phänomene verschiedenster Fassbarkeit kennzeichnet, die in ihren besten Momenten über die Relevanz innerhalb einer verhältnismäßig klar umrissenen Interessengemeinschaft hinausgehen. Bei Sonic Fiction ist die Herangehensweise immer recht einfach gewesen: Warum seine Vorlieben nur mit den Leuten teilen, die man bereits kennt? Ein missionarischer Gedanke ist nicht zu bezweifeln, wenn wir zurückdenken, aber das ist eigentlich gar nicht nötig. Alle Fakten sind hier zu finden, nur soviel: Wir machen Partys und Musik, sind DJs, Live Acts, Label und Produzenten, arbeiten uns auch an der Peripherie gut ab, haben an allen möglichen Orten unsere Finger im Spiel und sind natürlich voll 2.0. Letztendlich sind wir Autodidakten.

Ein Selbstverständnis als Kollektiv von -der elektronischen Lebens- und vor allem Musikkultur zugeneigten- Aktivisten macht in unserem Falle angenehm instabil. Jedes Sonic Fiction Mitglied hat wohl im Laufe der Zeit, die Nase ganz vorn, seine Ideen mit Hilfe der anderen umgesetzt, alle profitieren in anderen Lebensbereichen von diesem Zusammenschluss, (weil?) der familiäre Strukturen angenommen hat, in die immer wieder alles zurückfließt. Das kann zum Beispiel bewirken, dass ehemalige Digital-Legastheniker wie der Autor unbeschadet den Sprung ins aktuelle Jahrtausend schaffen und irgendwann sogar auf guter Höhe mitlaufen können. Oder das Ausweiten der Auftrittsgebiete auf wochenendfüllende Distanzen: Wenn dann sogar die Stadt Lüneburg dafür Kohle raustut, dass so Menschen wie wir nach Clamart fahren dürfen, um kräftig mit den Kollegen dort zu feiern, kann das System nicht ganz schlecht sein. OK, das ist nicht das Goethe-Institut, doch wir behaupten frech, wenn wir es uns ernsthaft zum Ziel machten, die Brasilienhürde zu nehmen (ich bitte, die Häufung an Sport-Floskeln zu entschuldigen), wir würden es schaffen. Aber mit den Zielen, wir sagten es bereits, ist das bei uns so eine Sache. Da sind wir wie ein Gummiband. Manchmal zieht es sich, doch wenn wir im richtigen Moment zum Zusammenzurren kommen, geht es ab.

Ob uns das nun reicht oder noch lange nicht, steht außer Frage, beides ist nämlich der Fall. Da in der Sonic Fiction jeglicher Karrierismus gegen Null strebt, scheint sie sich zu einem nachhaltigen Geflecht entwickelt zu haben, von dem wir und alle, die es wollen, noch lange etwas haben können. Für manche mag es eine Etappe sein, für die meisten aber ist es Identifikationskörper jenseits der für gewöhnlich angebotenen, vorgefertigten Muster, weil nämlich selbstgeschaffen und -gepflegt.

Weil diesbezügliche Vergleiche mit Gang & Schwarmgesellschaft in unfruchtbare Gebiete führen, soll auf den großen Vorteil der Realbedingung hingewiesen werden, die solch aktive Zellen mit sich bringen. Selber machen kann nicht nur eine ganze Ausbildung ersetzen, sondern auch Arbeit schaffen. Richtige Arbeit im Sinne von Erwerb ist es aber erst dann, wenn man dafür auch Geld bekommt, ansonsten bleibt man Amateur, ein Einwand, den wir mit einem Lächeln an uns abprallen lassen können, weil er so alt wie dumm ist. Das Geld, es kommt aus anderen, zuweilen überraschenden Quellen, aber es kommt und wird weiter kommen, eine weitere Folge der Realbedingung und der behänden Lösung ihrer Aufgaben, die in erster Linie Offenheit erfordert: Nicht davon leben können, sondern bitteschön dafür! Das Geheimnis ist also das freiwillige Selbstverständnis. Der kleinste gemeinsame Nenner mag die Musik sein, und auch, wenn die Vorlieben und Leben der Menschen verschieden sind, sind ihre Sorgen doch stets die gleichen, eine Erfahrung, die denjenigen, die immer nur unter sich bleiben, verwehrt bleibt, Zyniker sagen: erspart. Aber die sind sowieso meist allein und schlecht drauf, und genau das wollten und wollen wir bei uns vermeiden. Und deswegen machen wir lieber Sonic Fiction. Alles klar?

Die nächste Gelegenheit zum "Produkttest" bietet sich am nächsten Samstag im Jekyll & Hyde:

Sa 21.10. - 22:00 Uhr
Sonic Fiction @ Jekyll & Hyde
Altenbrückertorstr. 1 - Lüneburg
Elektronische Tanzmusik von Vinyl und Festplatten
www.sonic-fiction.net

Für die, die schon getestet haben und sich noch einmal erinnern wollen, das Video zur Schilfmusik.

Und wer die Testreihe per Abo fortsetzen will, tut das über den Sonic Fiction Podcast.

 

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pdm/pdm-0610 - Illustration
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