Kemper, Sonnenschein: Sucht und Sehnsucht
Produkt des Monats Oktober 2001
Peter Kemper und Ulrich Sonnenschein haben im Verlag Phillipp Reclam junior (Gott hab ihn selig) den legitimen Nachfolger des einzigen Standardwerks über Popularmusik und Jugendkultur in Deutschland "but i like it..." (ebenfalls Reclam) herrausgegeben. Wieder ein Reader, wieder zum Thema des diesjährigen Neuen Funkkollegs des Hessischen Rundfunks. Und wieder auch ein Buch was einlädt zum schmökern, nachdenken und für den generellen Informationshintergrund für eines der Themen überhaupt: Rausch und Sucht
Dabei schaffen es die Herausgeber wieder einen breiten, heterogenen Pool an Autoren und Texten zu sammelm ohne dadurch die Grenzen des Themas zu sprengen. Vielmehr zeigen sie diese erst dadurch auf, dass sie bekanntes, altes, skuriles, verblüffendes, erklärendes und illustrierendes zu einem Komplex finden, der sich in der Öffentlichkeit immer noch nur als "das Drogenproblem" darstellt. Vielmehr aber sind die Aspekte interessant die sich weniger mit den Stoffen, als mit den Mechanismen der Sucht auseinandersetzen. Im Junkie also nicht nur den Süchtigen, nichtmal nur einen Kranken, sondern den perfekten Konsumenten sehen.
Ausprägungen von Sucht sind ebenso vielfältig wie die Diskussion um sie einseitig ist. Computer/Internet, Joggen/Fitness, Einkaufen/Konsumieren, Sex/Porno, Drogen jeglicher Art um nur die offensichtlichen zu nennen. Doch finden sich hier endlich einmal die komplette Bandbreite von Wahnungen, Mahnungen sowie Argumente für und wider den Gebrauch von Rauschmitteln.
Gut informiert werden Fragen nach dem gesellschaftlichen Nutzen von Rausch und Ekstase ebenso angegangen wie politische Programme akzeptierender Drogenarbeit vorgestellt. Die Anfänge des Gebrauchs bewusstseinserweiternder Substanzen werden ebenso behandelt, wie viele der bekannten literarischen Beschreibungen von Gottfried Benn über Ernst Jünger, bis hin zu Timothy Leary und Antoine de Saint Exupéry.
Die Homepage des Hessischen Rundfunks stellt zu diesem Neuen Funkkolleg ausreichend Sekundärliteratur und übersichtsartig die Inhalte der immerhin 26 Sendungen bereit: Link hr-online.de Leider lassen sich die Sendungen nicht im nachhinein abrufen, was dem Buch mehr Gebrauchswert gegeben hätte. So bleibt er eine umfassender, interessanter Reader, der einen Überblick verschafft und anregt sich eingehender mit dem Thema zu befassen.
Hoffentlich ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, hin zu einer breit geführten gesellschaftlichen Diskussion über Gefahren und Möglichkeiten von Sucht und Rausch und weg von Verteufelung und Verniedlichung. Drogengebrauch ist noch kein Drogenmissbrauch, Drogen können abhängig machen, Sex und Arbeit auch.