Natürlich ist dieser Sommer 2005 zu kalt, zu nass und viel zu dunkel. Das wissen wir auch, und so versuchen wir auch gar nicht, hierzulande Urlaub oder so zu machen. Dennoch finden wir uns unversehens in dieser merkwürdigen Ferienregion im Sauerland wieder, von der wir eigentlich gar nicht wussten, dass sie existiert. Und blicken etwas erstaunt in ein Schaufenster der Urlaubsträume von vor 20 oder 25 Jahren.
Der Grund unserer Anwesenheit ist aber ein anderer: Hier soll sie stehen, die wohl größte Skisprungschanze der Welt (nur Skiflugschanzen sind noch größer). Eine Anlage, bei deren Anblick man angeblich in Ohnmacht fällt. So etwas sollte nicht leicht zu übersehen sein. Aber nicht in diesem Sommer 2005. Dichter Nebel vor Ort behindert zwar nicht den Straßenverkehr, hüllt aber die Landschaft in dichte Schwaden. Obwohl ich die richtige Ausfahrt von der Bundesstraße 251 erwische, fahren wir am Parkplatz für die Skisprunganlage prompt vorbei. Die Schanze ist wohl normalerweise so gut sichtbar, dass niemand die Investition für Hinweisschilder am Parkplatz für nötig hält.
Kurze Zeit später erreichen wir die Schanze dann aber doch, und tatsächlich ist der untere Teil dieses Sportgeräts beeindruckend. Mehr ist in diesem Moment nicht sichtbar, bei maximal 80 Metern ist Schluss mit der Sicht. Also steigen wir entlang des grasbewachsenen Landehangs hinauf zum Schanzentisch. Dabei lässt uns der Nebel immer nur einen kleinen Teil der Gesamtkonstruktion überblicken, der Rand unserer optischen und akustischen Wahrnehmung wird deutlich und lässt abstrakte Formen entstehen. Unter dem „Horst“ der Schanze angekommen, verraten Details wie die großen Stahlstelzen unter dem Anlauf die eigentliche Dimension der Gesamtheit. Es ist immer noch so neblig, dass auch die Details verschwimmen.
An diesem Punkt angekommen, schließe ich einen gewissen Frieden mit diesem nasskalten Tag. Die beengte Wahrnehmung dieser gigantischen technischen Konstruktion hat zu einem detailreichen Bild in mehreren Fragmenten geführt, das mir eine gute abstrakte Fassbarkeit des Aufbaus der Anlage gewährt. Der Nebel hat mir ein Reißbrett gegeben, auf dem Struktur und Form der Technik plastisch hervortreten. Das wäre an einem sonnigen Tag so nicht möglich gewesen. Während ich die Nebeltropfen vom Objektiv meiner Kamera wische, nehme ich mir vor, öfter technische Großstrukturen im Nebel zu besuchen. Aber lieber nicht im August.