Obacht, hier ist er mal wieder: der Wunderkindmythos. Jene legendenbildende Lobpreisung eines frühreifen Genius, die in der Musik an Vorstellungen von geballter kompositorischer und instrumentaler Virtuosität gekoppelt ist. Von der vermochte sich die elektronische Musik zwar weitgehend zu emanzipieren, sie schleicht sich aber spätestens seit der Blütezeit des Aphex Zwillings immer mal wieder durch die Hintertür ein.
Spot auf Lars Horntveth, im zarten Alter von 13 Jahren schon Mitbegründer der zehnköpfigen Kamikaze-Fusion-Not-Fusion-Combo Jaga Jazzist . Horntveth ist seines Zeichens Multiinstrumentalist, Komponist und Arrangeur und laut eigener Aussage für ca. 80% der Jaga-Outputs hauptverantwortlich. Es hat schon etwas dezent surreales, wenn man sich mit einem nun 23 Jahre alten Immer-noch-Jungspund darüber unterhält, wieso sein Solo-Joint eigentlich so lange auf sich warten ließ. Der Norweger geht auf seinem Erstling Pooka äußerst laidback zur Sache und sagt offensiv und gar nicht koryphäen-like ja zu opulentem Easy Listening und dem P-Wort. Unter der Oberfläche des legeren Grundvibes schlummert jedoch eine nicht zu unterschätzende Komplexität, die eher auf der horizontalen Zeitachse des Arrangements als in einer besonders vertrackten oder geballten Über- und Ineinanderschichtung der Klangereignisse zu finden ist. Wo die Nordlichter von Jaga z.B. Breakbeats, Cool Jazz oder auch Rock und Songwritertum zu spannenden Tunes anrühren, die selbst Leuten wie mir, die beim Wort Jazz in einem Bandnamen, ob nun begründet oder nicht, erst mal zusammenzucken, immer wieder die Schuhe auszieht, puzzelt Pooka Elektronika, Saxophon und Klarinettenhooklines sowie eine XXL-Dosis Filmmusik zusammen.
Aber man sollte sich hüten, das Neue dadurch auszubremsen, indem man einfach nur auf seine bekannten Zutaten verweist. Denn das bezaubernde und unaufgeregt aufregende Ganze vermag durchaus die Summe seiner Teile zu übersteigen. Oft wird es sogar ganz großartig. Wie es sich für ein zünftiges Wunderkind so gehört, spielt Horntveth bis auf die schwelgerischen, neunköpfig intonierten Streicherparts, die er „nur“ geschrieben und dirigiert hat, alle zehn plus x anderen Instrumente selbst. Das Ergebnis besitzt gerade durch die filmische Orchestrierung etwas Rückgewandtes, Nostalgisch-Verträumtes. Wer Ecken, Kanten oder Reibeflächen braucht, geht lieber nicht in die Vorstellung. Auch die flockigen Beats halten sich über weite Strecken eher dezent im Hintergrund und hüpfen nur recht selten ins Rampenlicht. Während musikalische Referenzen die in Interviews an den Künstler heran getragen werden, häufig mit einem simplen „Nö, kenn ich nich. Nie gehört.“ abgeschmettert werden, treffe ich bei Horntveth mit meinen Assoziationen Takagi Masakatsu, Cornelius oder auch Burt Bacherach überraschender Weise voll ins Schwarze. Der Name Pooka verweist übrigens auf den unsichtbaren magischen Riesenhasen aus Mary Chases Theaterstück Harvey , in unseren Breitengraden am ehesten bekannt durch die Verfilmung mit James Stewart. Meister Lampe, der als böse Reinkarnation auch neulich bei Donnie Darko zitiert wurde, ist zwar ein allwissendes Fabelwesen, dabei aber stets ein quietschfideler, bester Freund, der gerne auch mal in Pubs rumhängt.
So möchte Lars sich gerne präsentieren, sagt er mir am Telephon und ich bin mir sicher, daß er dabei lächelt.
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