Wie jedes neue Medium verleitete das Radio in seinen Anfangsjahren zu inspirierten Spekulationen über seine Bedeutung für die Zukunft der Gesellschaft. Die russischen und italienischen Futuristen träumten vom Radio als „geistige Sonne des Landes“ (Chlebnikov) und entwarfen seine Botschaft als „reinen Organismus aus radiophonischen Empfindungen“ (Marinetti). Bert Brecht forderte 1932, „den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen“. Rudolf Arnheim sah in ihm gar den Weg zu einer internationalen Sprache und Hans-Magnus Enzensberger deutete es als eine politische Mobilisierungsinstanz im herrschaftsfreien Diskurs.
Angesichts solcher utopischer Projektionen treibt es einem heutzutage die Tränen in die Augen. Keine Tränen der Rührung ob dieser an das Medium gekoppelten träumerisch-romantischen Weltverbesserungsprogramme, sondern Tränen der Wut und Ohnmacht darüber, wie die Radiolandschaft am Anfang des neuen Jahrtausends aussieht. Andererseits könnte man sich auch freuen, weil das Radiprogramm mittlerweile als Totschlagargument dafür gelten kann, wie die konsequente Orientierung am kleinsten gemeinsamen Nenner jegliche Kreativität, Originalität und Gestaltungskraft auslöschen kann. Man hat eine Handlungsgrundlage dafür, auch seinen Fernseher nur noch mit dem DVD-Player zu betreiben und macht sich eben sein eigenes Programm mit den eigenen Platten, DVDs, Büchern. Radio Hamburg lässt man Radio Hamburg sein, und RTL2 bleibt RTL2. Die Megahits der Achtziger und Neunziger und das Beste von Heute bleiben draußen bei denen, die diese Art von Unterhaltung verdienen. Fein. Nur steht da jetzt halt das Radio rum, ehemals ein toller Kasten zum dezentralen Musikhören...
In letzter Zeit sickern nach Mitteleuropa Informationen über Produkte durch, die in diesem Fall Hilfe zur Selbsthilfe bieten. Oder muss man von Selbstjustiz sprechen? In Deutschland ist ihr Betrieb nämlich verboten. Finstere Gesellen aus dem englischsprachigen Ausland bieten sie aber dennoch auf ebay feil...
Es handelt sich um kleine UKW-Sender mit geringer Reichweite, mit Glück und Spucke zehn Meter. Bekannt ist der iTrip von Griffin, der speziell für den iPod konzipiert wurde. Nicht ganz so chick und unbekannter, aber flexibler ist der Tunecast II der Firma Belkin, weil er mit eigener Batterie bzw. Netzteil unabhängig vom Gerät betrieben werden kann. Wie funktioniert dieses kleine Wunder? Ganz einfach: Tunecast mit Miniklinke in den Audioausgang des Rechners (bzw. des ‚distribuierenden Geräts’) stecken, Frequenz auf dem Tunecast einstellen, Frequenz im betreffenden Radio einstellen, iTunes anschmeißen, voilà! - dudelt die ausgewählte Playlist aus dem Küchenradio. Oder dem Badezimmerradio. Oder aus der im Wohnzimmer ansässigen Stereoanlage. Aus dem Autoradio. You name it. Für HiFi-Nerds ist das hier allerdings nichts: man erhält eben „nur“ eine UKW-Qualität. Für mich reicht die aber in den allermeisten Fällen vollkommen aus.
Man hört ja manchmal Geschichten von Leuten, die in so genannten Ortungsfahrzeugen rumgurken, vor allem um GEZ-Preller zu enttarnen. Im Falle einer Ortung und in der Folge drohenden Inhaftierung schlage ich vor, sich versuchsweise auf Notwehr zu berufen. Vielleicht reichen schon fünf Minuten ‚Raaaadio Hamburg!’, um die Mühlen der Justiz zu stoppen und Gnade vor Recht ergehen zu lassen.