Während des Sommersemesters 2004 fand an der Uni Lüneburg das Seminar "Experimentelle Interface-Programmierung" unter der Leitung von Rolf Grossmann und Florian Grote statt. Unter anderem entstand dort das von Corine Wiesenbach, Jan Torge Claussen und mir entworfene, gebaute, und auf der Hyperkult XIII Ende Juli 04 präsentierte Interface "Leierkasten". Dessen Grundidee basiert auf der Möglichkeit, Videodaten mithilfe der Software Max MSP und Jitter zum Zweck der Klangsteuerung zu verwenden. Die naheliegendste Umsetzung von Video in Audio erschien uns das Senden der RGB-Daten eines Pixels an Sinusgeneratoren, welche die drei Zahlenwerte in Frequenzen umsetzen. Der Pixel wird rhythmisch abgefragt. Das Klangresultat, das der Kameraschwenk durch den Raum liefert, besteht aus gleichmäßig modulierenden Dreiklängen, die durchaus von einem atonalen Leierkasten stammen könnten.
Ein Interface ist ein Tool, mit dem der Benutzer dem Computer eine Rückmeldung entlockt und so den Input-Output-Kreislauf zwischen Mensch und Maschine in Gang hält. Wir haben also zunächst den Output und eine Assoziation, dann folgt erst das Konzept des Interfaces, welches den Klang steuern soll. Wir bauten also ein Instrument, von dem wir noch nicht wußten, wie es aussieht, wohl aber, wie es klingt! Dafür montierten wir eine Kamera über einen Teller, auf dem ein gestaltbarer CD-Rohling liegt. Wir nahmen an, dieser wird sich durch Kurbeln unter der Kamera drehen, die so verschiedene RGB Daten empfängt und an MAX sendet, vergleichbar dem oben erwähnten Schwenk. Damit eine Umdrehung der Kurbel nicht 360 Grad der CD Drehung entspricht, dann wäre der Spaß recht schnell vorbei, verwendeten wir eine Fahrradfelge zur Übersetzung. Die Kurbel selbst stammt auch vom Fahrrad, sie ist ein Pedal mit Holzgriff, dessen Achse wir verlängert haben. Nun fehlte noch die Kopplung von Kurbelgeschwindigkeit und dem Metrum der Musik, so wie auch die Lochkarte des konventionellen Leierkastens bei sportlichem Kurbeln ein höheres Tempo ausgibt. Unsere Lösung dafür ist ein gleichmäßig gestreifter Schwarz-Weiss-Ring, der außen um die bemalte CD positioniert wurde. Jedes Mal, wenn die Kamera in diesem Randbereich einen schwarzen Streifen entdeckt, triggert sie erst die Pixelabfrage auf der CD. So kann der Benutzer nicht nur durch das farbige Gestalten der CD sondern auch durch die Interaktion mit der Kurbel komponieren. Weisse Stellen auf dem Bildträger entsprechen übrigens 0 Hertz, sind also unhörbar, schwarze ergeben max. 1275 Hertz. Das Leiern kann in MAX aufgenommen und danach auf den gestalteten Rohling gebrannt werden.
Der Leierkasten sieht mit seinem weiß lackierten Holz, den Weissblechverstärkungen und den Kugellagern zwar nicht schlecht aus, gehört aber, was Belastbarkeit und Stabilität angeht, doch noch eher in die Kategorie Prototyp. Es wäre schön, die Gelegenheit zu finden, das Interface einmal robust und professionell zu bauen, so dass man es auch mal auf Reisen schicken oder auf Partys ausstellen könnte.