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Ästhetische Strategien
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Crackle Box

Produkt des Monats Juni 2004

von Andreas Otto

Michel Waisvisc ist jemand, der sich einen Synthesizer kauft und bevor er auch nur eine Taste anschlägt, um die Synthese zu checken, erst mal die Tastatur abschraubt. Denn den Klangerzeuger zum Leben zu erwecken funktioniert auch mit den bloßen Fingern und benötigt keine 12Ton-Tastatur: Hier ein paar Kontakte zusammenhalten, dort mal drauffassen, und das Instrument singt los - definitiv atonal.
In den 70ern entwickelte er am STEIM Institut in Amsterdam, dessen Leiter er ist, Synthesizer mit sogenannten "touchable surfaces", die durch den Kontakt mit der Hand geschaltet und moduliert werden. Der berühmteste Vertreter wurde 1975 die Crackle Box. Aus einer Zigarrenkiste gebaut, besteht das Instrument lediglich aus einer Batterie, einer Platine, sechs Kontakten und einem Lautsprecher. Ihre Spieltechnik erschließt sich leicht: einfach draufdrücken. Das klingt dann gerne nach kaputtem Radio, kann aber je nach Druck- und Postitionsvariation alle Vögel imitieren von Basstölpel bis Rotkehlchen. Üben ist unmöglich, denn bei jedem Einschalten klingt die crackle box anders. Aber das heißt nicht, dass der Sound beliebig sei. Seit das Gerät 2003 in der limitierten Auflage von 500 Stück noch mal gebaut worden ist, kann man es auf einigen Tonträgern entdecken und bei Livekonzerten identifizieren - z.B. bei Mùm oder Mouse on Mars-Shows. Dabei scheint der lebendige und hektisch modulierende einstimmige Oszillator die Funktion zu übernehmen, die sonst Elementen wie verzerrten Vocals zufallen könnte. Das Gerät hat keinen Output außer dem eingebauten Lautsprecher, was in heftigen Livesituationen direkten Mikrofonkontakt erfordert. Das wiederum beeinflusst natürlich den Sound...
Die neue Liebe zu analogen Geräten und ihren Fehlern, Spontaneitäten und Unvorhersehbarkeiten, die sich seit Mitte der 90er in der Elektronika zeigt, lässt die Crackle Box heute keineswegs anachronistisch erscheinen und wird mit dem Relaunch auf jeden Fall neue Fans und Virtuosen finden.

Konsum unter:

http://www.steim.org

 

 

Quelle:/pdm/pdm-0406.php, 21.11.2024