Wir schreiben das Jahr 1994. HipHop ist nach Abklingen des Breakdancebooms zum zweiten Mal stark in das Interesse der Medien gerückt. Maßgeblich verantwortlich dafür waren die Fantastischen Vier, die nach ihrem Debüt-Album "Jetzt geht´s ab" (1991), welches bereits 160.000 mal über den Ladentisch wanderte, im August 1992 ihr zweites Album "Vier gewinnt" veröffentlichten. "Vier gewinnt" sorgte mit der Single-Auskopplung "Die da" für einen bis dahin nie dagewesenen Hip-Hop-Hype. Das Album verkaufte 750.000 Einheiten und blieb 45 Wochen in den Charts. Natürlich wußten die Medienvertreter von Presse, Rundfunk und Fernsehen damals noch nicht so richtig, um was es beim Hip-Hop eigentlich geht, und so jagte ein schlechter Bericht den anderen, in welchem Hip-Hop lediglich als "neuer Musikstil" deklariert wurde.
Die alten Hasen im Hip-Hop-Untergrund wie Advanced Chemistry, die 1992 mit ihrer Maxi "Fremd im eigenen Land" durch Message-Raps glänzten, Rock da Most, die 1988 die erste Hip-Hop-Platte in Deutschland veröffentlichten oder auch die Heidelbergerin Cora E, über die aufgrund ihrer ersten Maxi "Könnt ihr mich hören?" aus dem Jahr 1993 gesagt wurde, der beste deutsche MC sei eine Frau, sahen sich in Interviews immer wieder mit denselben Fragen zum Thema Hip-Hop konfrontiert. So entschloß sich letztere ein für alle Mal klarzustellen, was Hip-Hop bedeutet:
"Hip-Hop ist kein Musikstil sondern Sprechgesang nur ein Teil der Kultur B-Boys nur ein Teil der Kultur Graffiti nur ein Teil der Kultur..." (Refrain aus "Nur ein Teil der Kultur" von Cora E)
Im Mai 1994 wurde dieser Song auf der gleichnamigen Maxi auf dem Hamburger Label Buback veröffentlicht. Er spiegelt wie kein zweiter das damalige Gefühl der aktiven Hip-Hopper wieder. Sie sahen sich einer Übermacht von Reportern gegenübergestellt, die allesamt die Fantastischen Vier als Könige der deutschen Hip-Hop-Landschaft krönten, ohne auch nur ein Wort über Breakdance und Graffiti zu verlieren, und somit Hip-Hop und Rap gleichsetzten.
"Ohne den Tanz ohne die Kunst wär was Du tust nur Rap Drum zeige B-Boys und Writern Respekt" (Auszug aus 3.Strophe "Nur ein Teil der Kultur" von Cora E)
Mag der ein oder andere über so viel Definitionsgelaber vielleicht nur den Kopf schütteln, so war diese Maxi damals doch mehr als nötig und sprach der gesamten Hip-Hop-Szene aus der Seele. Produziert von dem Hamburger DJ Marius No1, der heutzutage das Chiefrocker Label gegründet hat, auf dem kürzlich eine Instrumental-Platte von ihm erschien, flowte Cora E nicht nur vielen ihrer damaligen Hip-Hop-Kollegen davon, sondern trug ihren kleinen Teil dazu bei, daß in Deutschland nach wie vor ein wesentlich stärkeres Bewußtsein für alle Bestandteile der Hip-Hop-Kultur besteht als z.B. in Amerika oder Frankreich.
"Und so widme ich auch meinen letzten Reim - der Kultur und sie wird niemals nur Musik sein" (Auszug aus 3.Strophe "Nur ein Teil der Kultur" von Cora E)